Seveler Gemeindemitarbeiter entfalten ihr Hirn
Es ist unheimlich ruhig auf der Gemeindeverwaltung Sevelen. Fast könnte man meinen, es werde nicht gearbeitet. Da einige ihre Bürotüre aber offen haben, zeigt ein prüfender Blick, dass sehr wohl gearbeitet wird. Die Augen kleben am Bildschirm, die Hand an der Maus, das Gesäss auf dem Stuhl. Die Pfeiltaste auf dem Bildschirm rast wie wild. Tüchtig? – Und wie. Konzentration? – Aber allerhöchste! (Ich werde nur von wenigen bemerkt), Stress? – Nun gut, das lässt sich jetzt nicht eruieren.
Von Alexandra Gächter

Im Moment ist es noch einfach: Die Seveler Gemeindemitarbeiter hüpfen über die Linie. Nachher machen sie das rückwärts, klatschen dabei und sollen noch rechnen.

Sevelen. - «Wir werden lockerer und damit wohl stressresistenter», wird der ­Seveler Gemeindepräsident Roland Ledergerber später sagen. Jetzt - es ist knapp vor 12 Uhr - sagt er noch nichts. Er ist nämlich noch gar nicht da. Nach und nach verlassen die Gemeindemitarbeiter das Verwaltungsgebäude. Währenddessen trifft ­Roland Ledergerber mit seinem Velo gerade bei der Gemeindeverwaltung ein. Arbeitsbeginn pünktlich zur Mittagspause? «Nein, nein», wendet er ein, «ich hatte einen Auswärtstermin und musste mich nun kurz zu Hause umziehen.» Mit lockerer ­Kleidung schreitet er zusammen mit seinen Arbeitskollegen in den Gemeindesaal. Zum Training.
Besser könnte das Arbeitsklima nicht sein Kleine Bälle, mittlere Bälle, grosse Bälle, bunte Bälle und andere Bälle liegen bereit. Daneben liegen ­Badmintonschläger und weitere ­Sachen, die irgendwie nicht an die alltäglichen Büroutensilien erinnern. Der Seveler René Wildhaber leitet das Training, das er Hirnleistungs­training oder auf Neudeutsch auch Life-Kinetik nennt. Der Anfang des Hirnleistungstrainings erinnert an ­eine Turnstunde. Je zwei Mitarbeiter werfen sich drei Bälle zu. Einer davon muss immer in der Luft sein. Tönt einfach. Ist es aber anscheinend nicht, da viele Bälle auf dem Boden landen. Dafür ist die konzentriert-stille Atmosphäre des Büros einer konzentriert-lauten Atmosphäre einer Sportstunde gewichen. Die Mit­arbeiter reden, lachen und spielen ­miteinander. Das Klima während der Arbeit könnte besser nicht sein.
Arbeitsklima? Ja, denn das Hirnleistungstraining zählt explizit zur Arbeitszeit. «Diese geschenkte Stunde zahlt sich aber aus», bringt sich eine gewiefte Mitarbeiterin ein, «denn danach arbeiten wir noch effizienter!» Das bestätigt Kursleiter René Wildhaber. Es sei bewiesen, dass das ­spezielle Koordinationstraining die Hirnleistung verbessert. Zusätzlich soll es Burn-outs vorbeugen und sogar die Tiefschlafphase verbessern.
Das Hirn bildet Synapsen und entfaltet sich Und: «Kinder werden kreativer, Schüler konzentrierter, Sportler ­erfolgreicher, Berufstätige stress­resistenter und Senioren aufnahmefähiger und geschickter im Umgang mit Gefahrensituationen», fügt ­Wildhaber an. Wieso das so ist, ­erklärt er gerne: «Werden dem Hirn Aufgaben gestellt, die es noch nicht kennt, bildet es neue Synapsen. ­Dadurch ist das Hirn besser vernetzt und kann sich besser entfalten.»
Mittlerweile müssen die Mitarbeiter schwierigere Übungen durchführen. Mit der rechten Hand prellen sie ­einen Ball, mit der linken jonglieren sie auf einem Badmingtonschläger einen anderen Ball. Man merkt, dass es die siebte von insgesamt acht Kursstunden ist, denn viele haben die Aufgabe bereits im Griff. Die Idee ist aber nicht, dass die Teil­nehmer die Übungen perfekt ­beherrschen. Im Gegenteil; sobald die Übung einigermassen gut geht, wird der Schwierigkeitsgrad erhöht. Abwechslung ist sehr viel wirkungsvoller als langes Üben. Ledergerber meint dazu: «Das Training ist auch insofern wichtig, als die Mitarbeiter auch Schwächen vor anderen zugeben können.»
«Damit können wir beim Zirkus auftreten» So, wie bei der nächsten Übung: «Da git jo fascht en Knopf id Bei», sagt ein Mitarbeiter, als er rückwärts mit überkreuzten Beinen einer Linie entlanghüpfen muss. Dazu wird ­abwechselnd auf den rechten und linken Oberschenkel und dann in die Hände geklatscht. Und dann fügt Wildhaber an: «Jetzt sagt ihr noch die Siebnerreihe auf.» Irgendwie ­verständlich, dass bei soviel Multitasking der Satz fällt: «Was die ­Siebnerreihe auch noch? Wie geht denn die?» Gelächter. Und ­Ledergerber sagt: «Damit können wir beim Zirkus auftreten.»
Trotzdem gibt er dem Kurs ein sehr positives Feedback: «Ich denke, wir sind besser drauf, sind lockerer und die Atmosphäre ist besser, seit wir das Life-Kinetik-Training machen. Das merkt man auch. Denn beim Rückweg sind die Mitarbeiter nicht mehr so ruhig wie beim Hinweg.